
Angehöriger eines leitenden Offiziers des sowjetischen Speziallagers besucht die Gedenkstätte Buchenwald





Am 14. Juni 2024 besuchte uns Alexei Rombov, der Sohn des ehemaligen stellvertretenden Leiters der Wirtschaftsabteilung des Speziallagers Nr. 2, Vladimir Rombov. Von Oktober 1947 bis zur Auflösung des Lagers 1950 und der Übergabe an die sowjetische Armee war Vladimir Rombov in Buchenwald eingesetzt. Alexei, der aus der von Russland angegriffenen Ukraine geflüchtet ist, lebt derzeit in der Schweiz.
Alexander Makeev, der sich im Auftrag der Gedenkstätte mit der Erforschung der Biografien des sowjetischen Wach- und Führungspersonals des Speziallagers beschäftigt, fand über soziale Netzwerke Kontakt zu ihm. Bislang wussten wir wenig über das Personal des sowjetischen Speziallagers. Zwar sind die Namen und einige biographische Daten der leitenden Offiziere des Lagers bekannt, aber weitere biographische Hintergründe blieben uns bislang weitgehend verborgen.
Das Personal des Speziallagers kam aus unterschiedlichen dienstlichen Zusammenhängen: So konnten die leitenden Offiziere meist auf eine längere Karriere im sowjetischen Innenministerium zurückblicken und waren zum Teil in speziellen Schulen des Geheimdienstes für ihre Tätigkeit in der Besatzungszone vorbereitet worden. Andere kamen aus dem medizinischen Dienst des Militärs oder des Innenministeriums; unter ihnen waren mindestens zwei Ärztinnen, die im Speziallager eingesetzt worden waren. Etwa 160 Soldaten taten im Speziallager Dienst, viele von ihnen ehemalige NS-Zwangsarbeiter, die zwangsweise für den Wachdienst verpflichtet wurden.
Vladimir Rombov war, so konnten wir im Gespräch mit seinem Sohn rekonstruieren, direkt aus den Reihen der Roten Armee in den Dienst im Speziallager gekommen. Er wurde 1923 auf der Krym in der ukrainischen Sowjetrepublik geboren. Schon wenige Monate nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Herbst 1941 trat er in den Militärdienst ein. Er kämpfte in der 8. Gardearmee und wurde Ende April 1945 verwundet. Vermutlich ist er mit dem Feldlazarett nach Weimar verbracht worden. Wie genau er für den Dienst im Speziallager verpflichtet wurde, ist noch nicht geklärt. Als junger Oberleutnant war er in der Wirtschaftsabteilung des Lagers eingesetzt, die die Versorgung der Insassen regelte. Es ist bemerkenswert, dass sich ehemalige Insassen Jahrzehnte später noch an seinen Namen erinnerten. So berichtete der Weimarer Rudolf Haupt, der von 1945 – 1948 im Speziallager Nr. 2 festgehalten wurde, im Jahr 1996 von guten Beziehungen zu Rombov. Dieser habe versucht, von ihm Deutsch zu lernen und ihm Russisch beizubringen.
Nach dem Dienst im Speziallager blieb Vladimir Rombov im Dienst des sowjetischen Lagersystems. Er wurde im Lager Nyrob im Gebiet Perm´ erneut in der Wirtschaftsabteilung eingesetzt. In dem seit 1945 bestehenden Lager wurden im Jahr 1950 über 20.000 Häftlinge festgehalten, die vor allem in der Holzgewinnung und Holzverarbeitung, etwa beim Bau von Eisenbahnschienen eingesetzt wurden. Unter den Häftlingen waren über 4.000 Frauen; mindestens 4.000 Menschen wurden wegen vermeintlicher konterrevolutionärer Verbrechen dort festgehalten (Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR 1923-1960. Handbuch. Hrsg. Michail Smirnow, vgl.: http://www.gulag.memorial.de/lager.php?lag=259).
Für seinen Militärdienst und den Dienst im sowjetischen Innenministerium wurde Vladimir Rombov mehrfach ausgezeichnet. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1970 lebte er bis zu seinem Tod 2008 in Tscherkassy in der Ukraine.
In der gleichen Stadt lebte sein Sohn Alexei – bis zum russischen Überfall auf die Ukraine 2022. Nun hat er in der Schweiz eine Zuflucht gefunden. Angesichts der fortgesetzten Kampfhandlungen ist er in großer Sorge.