Öffnungszeiten Praktische Infos Was ist Wo? Apps Öffentliche Rundgänge Weitere Sprachangebote Barrieren vor Ort FAQ

4. Februar 1990. Spurensuche im Wald

Vor 35 Jahren lässt die Gedenkstättenleitung nördlich des ehemaligen Häftlingslagers ein Gedenkkreuz für die Toten des Speziallagers Nr. 2 setzen. Nach vier Jahrzehnten des Schweigens beginnt die Auseinandersetzung mit der „zweiten Geschichte“ Buchenwalds.

Holzstämme und Steine markieren ein Grab im Wald. Auf dem Grab steht ein Holzkreuz. Vor dem Kreuz liegen ein Kranz und Blumen. Es ist ein Schwarz-Weiß-Bild.
1/3
Gedenkkreuz auf dem Gräberfeld am Nordhang des Ettersbergs, März 1990. ©Joachim Siegert
Eine Gruppe älterer Menschen steht auf einem Friedhof im Wald. Im Vordergrund befinden sich Holzkreuze. Sie sind mit Blumen geschmückt.
2/3
Gedenkgottesdienst zum 2. Buchenwaldtreffen auf dem Trauerplatz, September 1992. ©Gedenkstätte Buchenwald
In der Mitte befindet sich ein Weg. Er führt auf eine Anhöhe. Neben dem Weg stehen Bäume und Sträucher.
3/3
Der neugebaute Weg zum Trauerplatz, um 1992. Rechts befindet sich das ehemalige Häftlingslager. ©Gedenkstätte Buchenwald

Gestrüpp wuchert am ehemaligen Postenweg auf dem Ettersberg. Nur wenige Besucher:innen kommen normalerweise in diesen Bereich des ehemaligen Lagers; auf den ersten Blick gibt es nicht viel zu sehen. Doch seit Anfang 1990 ist das anders: Im gegenüberliegenden Wald wird gegraben und zwischen den Bäumen findet sich ein frisch gesetztes Holzkreuz. Aber warum?

Der Niedergang der SED-Herrschaft im Herbst 1989 führt in der DDR zur öffentlichen Diskussion über bisherige Tabus. Dazu gehören auch die sowjetischen Verhaftungen und Speziallager nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit Ende 1989 melden sich Betroffene zu Wort, wenig später greifen auch die Medien das Thema auf. Die Gedenkstätte erhält täglich Anfragen zum Speziallager Nr. 2 auf dem Ettersberg, das zwischen 1945 und 1950 bestand.

Dabei ist das Thema dort nicht unbekannt: Wiederholte Funde von Knochen im Umfeld des Lagergeländes deuten seit Jahren auf Grablagen aus der Nachkriegszeit hin. Auch Besucher:innen aus der BRD fragen nach dem Thema. Die Pädagogische Abteilung reagiert 1988/89 mit einer dienstlichen Schulung über das „‚Internierungslager‘ in unserer Argumentation“. Ansonsten bleibt zunächst alles wie gehabt: Das Speziallager ist für die Gedenkstättenarbeit ein „weißer Fleck“.

Ende Januar 1990 werden erneut Knochen auf dem Ettersberg gefunden. Erstmals berichtet nun die Presse darüber. Am 4. Februar 1990 setzen Mitarbeiter:innen der Gedenkstätte am Fundort ein provisorisches Holzkreuz. In unmittelbarer Nachbarschaft dazu stellen Privatpersonen weitere Kreuze und Steine auf, mit denen sie an verstorbene Angehörige erinnern. Auch an anderen Orten ehemaliger Speziallager entstehen in dieser Zeit erste provisorische Trauerplätze, so im Schmachtenhagener Forst bei Oranienburg und auf dem Karnickelberg in Bautzen.

Betroffene und Angehörige melden sich zu Wort. In Weimar gründet sich im März 1990 die „Initiativgruppe Buchenwald 1945-50 e. V.“, die Berichte ehemaliger Internierter sammelt und in der sich Betroffene vernetzen. Bei ihren jährlich stattfindenden Buchenwaldtreffen nutzt die Initiativgruppe den Trauerplatz in den 1990er Jahren auch für Gedenkgottesdienste.

Das Verhältnis zur Gedenkstätte Buchenwald gestaltet sich anfangs schwierig. Lange war das Thema in der Gedenkstättenarbeit verschwiegen worden. Einige Probleme kann aber auch die neugegründete Arbeitsgruppe „Geschichte des Internierungslagers 1945 bis 1950“ um Dr. Bodo Ritscher nicht sofort lösen: Es fehlt an Archivquellen, die für die wissenschaftliche Arbeit und Schicksalsklärung notwendig sind. Diese erhält die Gedenkstätte Buchenwald erst 1992/93 im Rahmen eines deutsch-russischen Forschungsprojektes.

Und doch gelingt es, aus wenigen Berichten und übergebenen Objekten im September 1990 eine erste Speziallager-Ausstellung in Buchenwald zu eröffnen. Fast zeitgleich wird auch der provisorische Trauerplatz im Wald am Nordhang des Ettersberg mit einem Weg für die Besucher:innen ausgebaut. In den Folgejahren werden die Grablagen genau lokalisiert, von Wildwuchs befreit und mit Metallstelen als würdige Friedhöfe gestaltet.

Zu dem ersten Kreuz, das die Gedenkstätte setzen ließ, kamen in den letzten 35 Jahren fast 200 Erinnerungszeichen hinzu. Sie tragen Namen von Personen, die aus unterschiedlichen Gründen verhaftet und interniert wurden. Dieser individuelle Trauerplatz ist ein Friedhof, auf dem Angehörige sich der Verstorbenen erinnern. Gleichzeitig ist er als Zeugnis seiner Zeit ein Bildungsort innerhalb der Gedenkstätte. Die Namen aller Verstorben sind seit 2003 in einem Totenbuch zusammengetragen. Einzelne Biografien der auf dem Trauerplatz erwähnten Personen sind bereits intensiv erforscht. Sie – und auch die Inschriften selbst – geben Geschichtsinteressierten die Möglichkeit, sich mit der komplexen Geschichte des sowjetischen Speziallagers auseinanderzusetzen.

Vor 35 Jahren war daran noch nicht zu denken.


var _paq = window._paq = window._paq || []; /* tracker methods like "setCustomDimension" should be called before "trackPageView" */ _paq.push(['trackPageView']); _paq.push(['enableLinkTracking']); (function() { var u="https://matomo.buchenwald.de/"; _paq.push(['setTrackerUrl', u+'matomo.php']); _paq.push(['setSiteId', '1']); var d=document, g=d.createElement('script'), s=d.getElementsByTagName('script')[0]; g.async=true; g.src=u+'matomo.js'; s.parentNode.insertBefore(g,s); })();