Wie uns heute seine Familie mitteilte, ist Thomas Geve am 27. August 2024 in Haifa im Alter von 94 Jahren verstorben.
Er wurde am 27. Oktober 1929 in Stettin, im Stadtteil Züllchow (heute Szczecin-Żelechowa), als Stefan Cohn geboren. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verlor sein Vater, Erich Cohn, seine Arztpraxis. Die Familie zog zunächst nach Beuthen in Oberschlesien und siedelte 1939 nach Berlin um.
Während es seinem Vater gelang, 1939 nach Großbritannien zu emigrieren, blieben alle Versuche, die restliche Familie nachzuholen, erfolglos. Bis 1942 konnte Thomas Geve noch die jüdische Schule besuchen, doch ab diesem Jahr wurden alle jüdischen Schulen geschlossen. Daraufhin musste er Zwangsarbeit auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee leisten. 1943 wurde er zusammen mit seiner Mutter Bertha in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Bei der Ankunft wurden sie auf der Rampe voneinander getrennt; seine Mutter sollte er nie wiedersehen.
Angesichts des Heranrückens der Roten Armee räumte die SS im Januar 1945 das Lager Auschwitz. Thomas Geve wurde zunächst in das KZ Groß-Rosen und anschließend am 9./10. Februar 1945 nach Buchenwald gebracht.
Im KZ Buchenwald wurde Thomas Geve als „jüdischer Häftling“ mit der Haftnummer 127 158 registriert und im „Kleinen Lager“ in Baracke 66, dem Kinderblock, untergebracht. Noch während seiner Zeit in Buchenwald begann er, seine Erlebnisse zu zeichnen. Mit Buntstiftstummeln und auf ehemaligem SS-Formularpapier entstand eine Sammlung präziser Bilder des Alltags in den Konzentrationslagern. Diese 79 kindlich-naiven Zeichnungen, ursprünglich als Bericht an seinen Vater gedacht, sind in ihrer Genauigkeit auch eine erschütternde Statistik des Grauens: Sie dokumentieren die Ankunft auf der Rampe, die Desinfektion, das Krematorium, die Zwangsarbeit, die Aufseher, die Appelle, Hunger, Krankheit und die Erinnerungen an die Befreiung. Mit bemerkenswerter Präzision erfasste Geve das System der Vernichtung.
Im Sommer 1945 wurde Thomas Geve in das Kinderheim Zugerberg des Schweizer Roten Kreuzes gebracht. Später fand er seinen Vater wieder, der in London lebte. Thomas Geve zog ebenfalls nach London, studierte Bauingenieurwesen und emigrierte 1950 nach Israel, wo er nach seinem Wehrdienst als Bauingenieur arbeitete.
Er veröffentlichte Erinnerungen über seine Haftzeit. Es war uns eine besondere Ehre, seine Zeichnungen, die im Yad-Vashem-Museum in Jerusalem aufbewahrt werden, gemeinsam mit ihm 1997 erstmals vollständig zu veröffentlichen. Die Wanderausstellung „Es gibt hier keine Kinder. Zeichnungen eines kindlichen Historikers“ wurde seitdem in zahlreichen Städten mit großem Interesse gezeigt. Thomas Geve wurde am 6. Dezember 2023 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Weimar verliehen.
Wir trauern um einen geschätzten Freund. Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Familie.
Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen,
Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor