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Ende der Aufarbeitung?

Das Team "Speziallager-Ausstellung" besuchte die 16. Geschichtsmesse der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Suhl (29.2.-2.3.2024)

Das Team der Gedenkstätte Buchenwald steht gemeinsam hinter einem Tisch, auf dem Informationsmaterialien ausliegen.
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Das Team der Gedenkstätte Buchenwald am Messestand
Die Mitarbeiter Vladislav Drilenko und René Emmendörfer präsentieren das Tablet-Projekt. Zu sehen sind zwei männliche Personen vor einer großen Leinwand, auf der Informationen zum Projekt projeziert sind.
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Vladislav Drilenko und René Emmendörfer präsentieren das Tablet-Projekt
Zu sehen sind fünf Personen beiderlei Geschlechts auf einer Bühne. Links vom Podium wird die Veranstaltung auf einer Leinwand übertragen.
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Claudia Roth
Louisa Slavkova -Sofia Platform-
Sabine Rennefanz
Uwe Neumärker -Stiftung Denkmal für die ermorderten Juden Europas-
und Martin Sabrow im Gespräch mit Korbinian Frenzel -Deutschlandfunk Kultur-
Blick auf den Ringberg vom Tagungshotel. Im Vordergrund ist ein Stück der Terasse zu sehen, im Hintergrund sind Bäume und ein Stück vom Himmel erkennbar.
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Ausblick auf den Ringberg

Neigt sich die „Ära der Aufarbeitung“ der zweifachen deutschen Diktaturgeschichte ihrem Ende entgegen? Diese Frage des Zeithistorikers Martin Sabrow schwebte über der dreitägigen Fachveranstaltung, die Anfang März über dreihundert Vertreter:innen von Geschichts-, Gedenk- und Bildungsinstitutionen auf den Suhler Ringberg führte. Seit 2009 lädt die Bundesstiftung Aufarbeitung alljährlich dazu ein, einschlägige Projekte vorzustellen, Netzwerke zu knüpfen und gemeinsam den Stand der Aufarbeitung der Geschichte von SBZ und DDR zu reflektieren.

Erstmals dabei war das Team, das sich an der Gedenkstätte Buchenwald seit November 2023 mit der Überarbeitung der Dauerausstellung zum Sowjetischen Speziallager Nr. 2 befasst. Eine wichtige Vorarbeit zur neuen Ausstellung stellten Archivmitarbeiter René Emmendörffer und Volontär Vladislav Drilenko vor: Die von der Bundesstiftung geförderte digitale Lernanwendung „Welche Quellen sprechen?“. Die Tablet-App bringt Jugendlichen und Studierenden anhand verschiedener Quellengattungen die Geschichte des Speziallagers näher. Die Nutzer:innen analysieren in Gruppenarbeit Zeitzeugeninterviews, Objekte aus dem Lageralltag und Schriftstücke. Dabei lernen sie auch den kritischen Umgang mit unterschiedlichen Quellengattungen kennen.

Fragen wie die nach dem Stand oder gar einem drohenden Ende einer Ära der Aufarbeitung der SED-Diktatur wurden teils kontrovers diskutiert. Der Historiker Martin Sabrow führte vor Augen, dass sich der Terminus „Aufarbeitung“ semantisch auf einen Verbrechenskontext beziehe. Dabei schwinge implizit ein Versprechen auf Versöhnung mit, das nicht einzulösen sei. Zugleich konkurriere der Anspruch auf Aufarbeitung mit individueller Erinnerung der Zeitzeug:innen, aber auch mit den je unterschiedlichen beruflichen Perspektiven von Historiker:innen sowie Mitarbeitenden der Gedenkstättenarbeit.

Zu rollenspezifisch unterschiedlichen Perspektiven auf Unrechtsgeschichte kommen auf die Herkunft bezogene hinzu: Auch im Jahre 35 nach der Wiedervereinigung lebte in Suhl die Ost-West-Debatte auf, wurde von Teilnehmenden kritisch hinterfragt, ob das Geschichtsbild über „die Ostdeutschen“ nicht von einer einseitig „westdeutschen“ Sichtweise dominiert sei.

Stärker noch als Identitätsfragen fordert jedoch die politische Entwicklung in Europa und weltweit die Erinnerungsarbeit an die „zweite deutsche Diktatur“ heraus: Die Aufarbeitung sei durch den Ukraine-Krieg „ins Herz getroffen worden“, so Martin Sabrow. Auch angesichts innerer Bedrohungen demokratischer Institutionen in ihren Ländern forderten Vertreterinnen aus Polen, Bulgarien und Albanien, dass Diktaturbewältigung im Osten Deutschlands auch die osteuropäische Erfahrung berücksichtigen müsse.

In Ost und West gleichermaßen formt der demographische Wandel die Aufarbeitung. Für die Zeit der Speziallager, zwischen 1945 und 1950, können heute kaum noch Zeitzeugen befragt werden. Die nachgerückte Generation, ob als Angehörige von Inhaftierten, Ausstellungsmacher:innen oder Besucher:innen, stellt an diese Zeit ganz andere Fragen als ihre Eltern und Großeltern vor zwanzig oder dreißig Jahren.

Noch eine weitere Perspektive wurde auf der Suhler Geschichtsmesse zur Diskussion gestellt – die von Menschen mit Migrationsgeschichte. „MigrantInnen stellen die Frage: Wo kommen wir vor?“, fragte in ihrem Namen die Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Inwieweit kann, ja muss die Repressionserfahrung von Menschen, die aus allen Teilen der Welt kommend in Deutschland Zuflucht finden, in Gedenkstätten und an Erinnerungsorten Berücksichtigung finden?

Die vielen inneren und äußeren Wandlungen in der Erinnerungskultur führen vor Augen, dass Geschichte ebenso wie ihre Aufarbeitung dynamische Prozesse sind und zwischen Chronisten, „Betroffenen“ und Interessierten stets neu ausgehandelt werden. Auch wenn es in naher Zukunft vielleicht kein Ende der Aufarbeitung geben wird, so doch vielleicht ein „Ende der übertriebenen Hoffnungen“ (Sabrow). Hoffnungen auf Versöhnung oder gar auf Schlussstriche, aber eben auch Hoffnungen darauf, den Ansprüchen aller gerecht zu werden. Statt einer „Geschichte für alle“ solle Aufarbeitung zumindest eine „Geschichte für möglichst viele“ sein, so der etwas versöhnlichere Tenor der Fachgemeinde in Suhl. Das Team Speziallager-Ausstellung hat mit seiner bunten Zusammensetzung aus Wissenschaftler:innen und Bildungsexpert:innen mit Wurzeln in beiden Teilen Deutschlands, in Belarus und Russland dazu die besten Voraussetzungen.



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