Zwei Jahre nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald findet Nachum Bandel seine Weise, von dem zu sprechen, was er „eigentlich nicht ausdrücken kann“ — er beginnt zu zeichnen. Schon auf dem Gymnasium ein begabter Zeichner, gehört er im April 1947 zu einer Gruppe von 26 Jugendlichen, die im britischen Lager für jüdische Einwanderer auf Zypern unter Anleitung von Kunstprofessoren aus Jerusalem ein Buch mit Zeichnungen über ihr neues Leben zusammenstellen und drucken. Abseits des Kunstseminars beginnt er sich mit dem Vorvergangenen zeichnerisch auseinander zusetzen: „Ich zeichnete meine Erinnerungen nur, wenn ich allein war, im Zelt. Ich hatte kaum einen Bleistift und so habe ich auf dem Papier gekratzt.“ Auf diese Weise entsteht die Zeichnung „Block 51. Buchenwald. Kleines Lager“. Sie zeigt eine Menschenmasse vor überfüllten Schlafstätten. Der Einzelne ist darin kaum unterscheidbar. Inmitten des Gedränges: Stürzende, Fallende und schon Gefallene. Viele unter diesen menschenunwürdigen Verhältnissen zusammengepferchte Menschen überleben das „Kleine Lager“ nicht. Es mangelt ihnen am Allerlebensnotwendigsten. Nachum Bandel verdankt der Solidarität eines politischen Häftlings, des Niederländers Hendrikus Bastiaanse, dass er Block 51 entkommt und die Ankunft der US-Armee am 11. April 1945 erlebt.
Zur Biografie
Nachum Bandel wird am 1. März 1928 als Nathán Bandel in eine jüdische Familie in Sevlus (heute Vinogradov, Ukraine) geboren. Im Karpatenvorland aufgewachsen, erlebt er als 16-Jähriger im April 1944 die Besetzung des Ortes durch die deutsche Wehrmacht. Nachum Bandel wird zunächst in das Ghetto Mátészalka, dann nach Auschwitz deportiert, wo seine Mutter, sein jüngerer Bruder und weitere Familienangehörige gleich nach der Ankunft ermordet werden; er selbst wird nach wenigen Tagen, am 6. Juni 1944, in das KZ Buchenwald deportiert und am 17. Juni 1944 in das Außenlager der BRABAG (Braunkohle-Benzin-Aktiengesellschaft) nach Magdeburg-Rothensee verschleppt. In einem Zustand äußerster körperlicher Schwäche kommt er am 16. Februar 1945 nach Buchenwald zurück. Hendrikus Bastiaanse vom Arbeitskommando „Häftlingskammer“ rettet sein Leben, indem er ihn aus dem „Kleinen Lager“ holt, ihn in einer Häftlingsbaracke im „Großen Lager“ unterbringt und bis zur Befreiung für ihn sorgt.
Mit einem Cousin beschließt Nachum Bandel nun, nach Palästina auszuwandern. Die „Theodor Herzl“, ein Frachtschiff mit mehreren hundert jüdischen Flüchtlingen an Bord, wird jedoch unterwegs von Kriegsschiffen der britischen Mandatsmacht abgefangen und zur Mittelmeerinsel Zypern abgedrängt. Erst nach einer etwa einjährigen Internierung auf Zypern kann er im Mai 1948 in Palästina einwandern. Bandel geht in den Unabhängigkeitskrieg des gerade gegründeten Staates Israel. 1950/51 lebt er zunächst im Kibbutz Neot Mordechai, wo er seine spätere Frau kennen lernt. Er wird Vater von zwei Söhnen und arbeitet auf Großbaustellen am Aufbau des Landes.
Für das Zeichnen bleibt wenig Zeit; aber er gibt es nicht wieder auf. Es entstehen Bilder über seine Kindheit am Rande der Karpaten, über die Shoah und das neue Leben in Israel. Seit seiner Pensionierung im Jahre 1986 steht das Zeichnen und Malen nunmehr im Zentrum seines Lebens. Nachum Bandel stellt seine Bilder mehrfach in Israel aus, darunter im Beit Chagall und im Rathaus in Haifa. 1999 eröffnet er in der Gedenkstätte Buchenwald eine Ausstellung seiner Bilder mit dem Titel „Rückkehr ins Leben“. Danach werden die Bilder auch in Magdeburg und in Berlin gezeigt. Nachum Bandel lebt seit langer Zeit in einem Vorort von Haifa.