Maria Kosk hatte vierzehnjährig die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück durchlitten, als sie im Oktober 1944 im Buchenwald-Außenlager Meuselwitz ankam. Die Zwangsarbeit dort und die Trennung von der Mutter und einer Schwester im November 1944 infolge deren schwerer Verletzung bei einem Bombenangriff hatten eine niederschmetternde Wirkung auf sie. Ihre seelische Not, ihre Ängste über ihr eigenes Schicksal und die Ungewissheit über den Verbleib von Mutter und Schwester versuchte sie zu verarbeiten, indem sie zeichnete. Von einem alten stummen Meister aus der Fabrik brachte die achtzehnjährige Schwester Blöcke von Abgabescheinen ins Lager. Die einseitig bedruckten kleinformatigen Blätter waren zusammen mit einem winzigen Bleistift ein Schatz. Ihrer bediente sie sich, um in einem Winkel der Barackenstube dem, was ihr Herz erleichterte, Gestalt und Ausdruck zu geben. Die Mehrzahl dieser Zeichnungen hat keinen inhaltlichen Bezug zum Lageralltag.
Die Zeichnungen von Maria Kosk zeigen in immer wiederholten Variationen Frauen- und Mädchengesichter oder Gestalten in glamourösen Kleidern. Wie auf dem ausgewählten Blatt tragen die geschminkten und gelockten Geschöpfe mitunter prächtige Hüte. Einige dargestellte Frauen oder Mädchen sind in phantastischen Interieurs gezeigt. Andere Zeichnungen zeigen eine Straßenszene in Warschau, eine sommerliche Badeszene, Schülerinnenalltag. Unmittelbare Erinnerungen an vergangene Jahre vor der Haft, an Träume und Sehnsüchte, die sich mit Liedern und den damals gefeierten Sängern verbanden, werden in bildlicher Gestalt der lebensbedrohlichen Situation entgegengehalten. In den schön gekleideten und geschminkten Frauen setzt die Vierzehnjährige dem im Lager selbsterfahrenen Angriff auf Anmut und Menschlichkeit, Menschenwürde und Kultur ihr Gegenbild entgegen. Die Zeichnungen sind ein Spiegel ihrer kindlichen Innenwelt.
Zur Biografie
Maria Kosk (geborene Brzęcka) wird als Jüngste von vier Schwestern am 3. Mai 1930 in Lobzenica in Südostpolen unweit der polnisch-deutschen Grenze geboren. Im Alter von 14 Jahren wird sie im Zuge der Terrormaßnahmen gegen die Warschauer Bevölkerung durch Einheiten der Waffen-SS nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands der Polnischen Heimatarmee am 10. August 1944 zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern Halina und Krystyna in das KZ Auschwitz deportiert. Sie gelangen von dort zunächst in das Frauen-KZ Ravensbrück und kurz drauf in das Außenlager des KZ Buchenwald der
Am 30. November 1944 werden die Mutter und Schwester Krystyna während eines Luftangriffs auf die Fabrik von Bombensplittern schwer verletzt und in das KZ Ravensbrück zurückgebracht. Beide gelangen kurz vor der Befreiung durch eine Rettungsaktion des Grafen Bernadotte aus dem Lager nach Schweden. Maria und Halina überstehen gemeinsam die Monate Dezember 1944 bis April 1945 in Meuselwitz. Auf den Todesmarsch gezwungen, erleben sie am 8. Mai 1945 vor Prag ihre Befreiung. Am Jahresende 1945 kommen Maria und Halina, Krystyna und Stanislawa Brzęcka wieder in Warschau zusammen, der Vater Wincenty Brzęcko, 1939 zum Militär eingezogen, kehrt nicht aus dem Krieg zurück.
Nach Kriegsende besucht Maria Kosk in Warschau das Gymnasium und studiert in den fünfziger Jahren Architektur. 1957 erwirbt sie das Diplom eines Ingenieur-Architekten und arbeitet international. 1989 pensioniert, lebt Maria Kosk mit ihrer Familie nach wie vor in Warschau. Seit 2005 ist Maria Kosk Mitglied im Beirat KZ Buchenwald der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Am 19. Februar 2013 verstarb Maria Kosk im Alter von 82 Jahren in Warschau.