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Józef Szajna - „Karpatenlandschaft“

Das stark beschädigte Gemälde zeigt einige weiße, strohgedeckte Häuser zwischen Bäumen in einer grünen Landschaft. Im Hintergrund hohe, dunkle Gebirgszüge, an den Spitzen schneebedeckt. , Bieszczady, mit ihren langgestreckten Höhenzügen und teils grasbewachsenen Kammlagen. Das Bild zeigtv zudem eine weiße Hütte mit Strohdach, auf der linken Seite. Die Farbe auf der rechten Seite des Bildes ist großflächig abgeblättert.
Józef Szajna: "Karpatenlandschaft". Buchenwald-Außenlager Schönebeck (1945). Nitrofarben auf Wandputz, 100x143cm, Kunstsammlung Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Inv. Nr. V 692 L

Anfang 1945 malte der etwa dreiundzwanzigjährige polnische Häftling Józef Szajna diese Karpatenlandschaft auf eine Barackenwand im Buchenwald-Außenlager in Schönebeck. Er hatte zu der Zeit bereits ein Jahr Zwangsarbeit und zuvor drei Jahre Auschwitz durchlebt.

Das Bildmotiv war ihm vertraut. Die sich weniger als einhundert Kilometer von seiner Heimatstadt Rzeszów entfernt ausbreitenden Waldkarpaten, Bieszczady, mit ihren langgestreckten Höhenzügen und teils grasbewachsenen Kammlagen waren seine Heimat. Aus der Erinnerung hat er dieses für die Region typische Flusstal mit Wiese und zwischen Bäumen und Baumgruppen verstreut errichteten schlichten weißen Häusern mit hohen Dächern gemalt. Diese Gebirgszüge mit den unbewaldeten Gipfeln und bewachsenen Hängen sind eine Gegend für Wanderer und Skiläufer, wenig erschlossen. Es ist eine etwas einsame verlassene Region. Vielleicht ist die gemalte Landschaft eine Reminiszenz an Ferien auf dem Land bei den Verwandten der schon 1937 verstorbenen Mutter in Stobierna und an die Zuflucht, die Józef mit dem älteren Bruder Aleksander dort nach Kriegsausbruch 1939/40 vor den deutschen Besatzern für eine kurze Zeit fand. Diese Gebirgsregion im Frühling bedeutete über die persönliche Erinnerung des Amateurmalers hinaus vielleicht noch mehr: diese Landschaft galt als polnische Kernlandschaft, mit ihr verband sich nationales Bewusstsein, das gerade für polnische Gefangene durch die schmerzhafte Erfahrung des Krieges und der Besatzung 1939/45 eine besondere Bedeutung hatte.

Die auf die Barackenwand mit Nitrofarben für die Lackierung von Flugzeugteilen gemalte Landschaft entstand 1945 unter dem Eindruck der alliierten Luftangriffe auf die Rüstungswerkstätten in Schönebeck und des erhofften Kriegsendes. Außerdem ist ein zweites Bild mit der Darstellung eines Blumenstraußes (ebenfalls im Kunstmuseum ausgestellt) überliefert. In welcher Beziehung die Bilder zu Auftragsarbeiten standen, die Józef Szajna für einen SS-Mann malte und wofür er, wie er sich später erinnert, mit mehreren Schüsseln Suppe entlohnt wurde, wissen wir nicht. Die von den Spuren des seit Kriegsende vergangenen halben Jahrhunderts gezeichneten Wandbilder wurden 1992 von Gedenkstättenhistorikern entdeckt und 1997 von Restauratoren im Kunstmuseum in der Gedenkstätte Buchenwald aufgestellt.

„... Ich wollte nur sagen, hier existierte kein Gott, existierten nur Menschen...“
Józef Szajna

Zur Biografie

Józef Szajna wird am 13. März 1922 in Rzeszów, dem Zentrum des Karpatenvorlands im Südosten Polens, geboren. Nach dem deutschen Überfall auf Polen beteiligt er sich an der polnischen Widerstandsbewegung. Nach seiner Flucht aus Polen wird er 1941 in der Slowakei gefasst, an die Gestapo in Südpolen ausgeliefert und am 25. Juli 1941 nach Auschwitz deportiert. Im November 1942 kommt er infolge der Entdeckung einer Hilfsaktion – unter auf Rollwagen transportierter Wäsche wurden heimlich Briefe befördert – in die Strafkompanie des Lagers. Schwer typhuskrank, retten ihn in der Krankenbaracke Häftlingspfleger durch zusätzliche Nahrung und rechtzeitiges Verlegen vor Selektionen der SS-Ärzte. Im August 1943 unternimmt er einen Fluchtversuch, wird aber ergriffen. Er bleibt – begnadigt durch den neu ernannten KZ-Kommandanten – jedoch am Leben, nachdem er, auf die Vollstreckung der Todesstrafe wartend, zwei Wochen in einer Stehzelle und sechs weitere Wochen in einer Massenzelle eingesperrt gewesen ist.

Am 21. Januar 1944 kommt Józef Szajna in das KZ Buchenwald und wird von dort in das Außenlager Schönebeck deportiert, wo er im Junkers Flugzeug- und Motorenwerk Zwangsarbeit leisten muss. Am 11. April 1945 gelingt ihm während des Todesmarsches die Flucht.

Nach Kriegsende studiert Józef Szajna von 1947 bis 1953 an der Akademie der Schönen Künste in Krákow. Er erwirbt Diplome in den Fächern Graphik (1952) und Bühnenbild (1953) und lehrt zwischen 1954 und 1965 an derselben Akademie. Von 1955 bis 1963 ist er als Bühnenbildner, Autor und Regisseur am „Teatr Ludowy“ (Volkstheater) in Nova Huta, zwischen 1963 und 1966 als Intendant und künstlerischer Leiter tätig. 1971 wird Józef Szajna Direktor des „Teatr Klasyczny“ (Klassisches Theater) in Warschau, das unter seiner Ägide zum „Teatr STUDIO“ (Studio-Theater) mit Galerie, später zum „Centrum Sztuki STUDIO“ (Kunstzentrum Studio) umgestaltet wird. 1972 wird er Professor an der Kunstakademie in Warschau. Auf die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen reagiert er 1982 mit der Niederlegung seiner Professur und Abgabe der Leitung des „Centrum Sztuki STUDIO“.

Józef Szajna ist durch zahlreiche Ausstellungen und Theaterinszenierungen sowie durch seine Teilnahmen an den Biennalen in Venedig und Sao Paulo weltweit bekannt. 2002 wird ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Oldenburg verliehen. Józef Szajna stirbt am 24. Juni 2008 in Warschau.

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