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Herbert Sandberg - „Das haben wir nicht gewusst“

Ein Häftling an der Seite von Toten im Hof des Krematoriums. Links oben im Bild ist die Tür eines Ofens zu erkennen. Mit ausgestreckter Hand fordert er die Besucher auf, sich den Beweisen der Verbrechen zu stellen - den ausgemergelten Leibern näher zu treten. Die Bürger, wohl genährt und wohl gekleidet, sind mit spitzer Feder gezeichnet. Schrecken ist ihnen ins Gesicht geschrieben.
Herbert Sandberg: „Das haben wir nicht gewusst“ (1964). Aquatinta-Radierung, Blatt des Zyklus „Der Weg“ (1958/65). Sammlung Gedenkstätte Buchenwald, Inventarnummer VI 951 G

Buchenwald war das erste von amerikanischen Truppen befreite Konzentrationslager, in dem die Zeugnisse der Verbrechen nicht beseitigt worden waren, sondern das Bild des im Chaos versinkenden, überfüllten Massenlagers und der Leichenberge noch unmittelbar sichtbar war; es stand deshalb im Mittelpunkt der amerikanischen wie westeuropäischen Berichterstattung über die nationalsozialistischen Konzentrationslager.

Auf Anordnung der Amerikaner und eskortiert von US-Militärpolizei mussten Bürger der Stadt Weimar am 16. April 1945, fünf Tage nach der Befreiung, das KZ auf dem Ettersberg besichtigen. Überlebende führten die Besucher durch das Lager, um zu erläutern, was ihnen hier geschehen war. Fotografien, die das Erschrecken vor den Beweisen des grauenvollen Geschehens zeigen, wurden weltweit verbreitet. Weniger bekannt sind hingegen die künstlerischen Erinnerungen von Überlebenden an dieses Ereignis.

1964 hat der Grafiker und Karikaturist Herbert Sandberg, von 1938 bis 1945 politischer Häftling im KZ Buchenwald, der Szene seine bildliche Interpretation gegeben: Er zeigt sich als Häftling an der Seite von Toten im Hof des Krematoriums (links oben im Bild ist die Tür eines Ofens zu erkennen). Mit ausgestreckter Hand fordert er die Besucher auf, sich den Beweisen der Verbrechen zu stellen - den ausgemergelten Leibern näher zu treten. Die Bürger, wohl genährt und wohl gekleidet, sind mit spitzer Feder gezeichnet. Schrecken ist ihnen ins Gesicht geschrieben, doch ihre Worte offenbaren, wie sehr sie verdrängen, was in ihrer Mitte geschah: „Das haben wir nicht gewusst!“.

Zugespitzt wird dieser Abwehrgestus, eine weit verbreitete Haltung, in der Bildunterschrift zitiert. Das Blatt ist Teil eines autobiografischen Zyklus von 70 Aquatinta-Radierungen, in denen Herbert Sandberg seine Lebensgeschichte darbietet. Die 19 Blätter zu Buchenwald bilden den Kern des Grafikzyklus, der 1958 bis 1965 entstand und 1966 in Buchform veröffentlicht wurde („Der Weg“).

„Ohne die Erinnerung an ihre (Hogarths, Goyas, Kollwitz’, Grosz’ und Masereels) Bilder hätte ich nicht die Kraft gehabt, die schwere Haftzeit zu überstehen.“
Herbert Sandberg

Zur Biografie

Der Grafiker und Karikaturist Herbert Sandberg wird am 18. April 1908 in Posen in die Familie eines Kaufmanns geboren. 1925 besucht er für kurze Zeit die Kunstgewerbeschule und Akademie in Breslau. Früh verlässt er sein jüdisches Elternhaus und zeichnet für Zeitungen und Zeitschriften. 1928 geht er nach Berlin, wird Mitglied der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands und tritt der KPD bei. Nach 1933 leistet er Widerstand gegen die NS-Diktatur. 1934 wird er verhaftet und im Zuchthaus Brandenburg-Görden gefangen gehalten, im Juli 1938 schließlich in das KZ Buchenwald verschleppt. Dort arbeitet er als Maurer und überlebt durch die Solidarität der Mithäftlinge. 1944 zeichnet er mit Ofenruß und Schlämmkreide einige Skizzen über seine Lagererfahrung. Nach der Befreiung am 11. April 1945 veröffentlicht er diese Skizzen mit weiteren Zeichnungen in Form eines Blockbuchs („Eine Freundschaft“, 30 Holzschnittskizzen, 1949).

Acht Monate nach der Befreiung aus dem Lager gründet er mit dem Schriftsteller Günther Weisenborn am 24. Dezember 1945 die politisch-satirische Zeitschrift „Ulenspiege“, in der Karikaturen, Cartoons, Comics und Satiren zum Zeitgeschehen veröffentlicht werden. Sandbergs künstlerische Intention ist es, die eigene Geschichte in der Zeitgeschichte kommentierend zu spiegeln - gemäß seines Credos „Ich kann nur darstellen, was ich selbst erlebt habe“ - und mit den Mitteln der Karikatur zuzuspitzen. Er zeichnet für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und veröffentlicht mehrere Bücher. Herbert Sandberg stirbt am 18. März 1991 in Berlin.

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