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Robert Maistriau

Überfall auf einen Deportationszug (4:17 Min.)

Privataufnahme von Robert Maistriau. Im Hintergrund eine Hecke
Robert Maistriau (1921–2008), nach 1945.

Transkription

Sprecher:in Die Nacht vom 19. auf den 20. April 1943 ist mondhell. An einem Bahngleis zwischen Mechelen und Löwen wartet der junge Medizinstudent Robert Maistriau mit seinem beiden Schulfreunden Georges Livchitz und Jean Franklemon auf einen Deportationszug, der über 1.600 Juden aus einem Lager in Mechelen nach Auschwitz bringen soll. Die jungen Männer sind entschlossen, den Zug zu stoppen und die Insassen zu befreien. Schon seit Monaten rollen regelmäßig Züge aus Belgien nach Auschwitz. Die drei wollen nicht länger tatenlos zusehen.

Sie handeln auf eigene Faust. Die organisierten belgischen Widerstandsgruppen haben es abgelehnt zu helfen. Zu riskant erscheint es ihnen, einen von deutschen Polizisten bewachten Zug zu überfallen.

Die drei Freunde sind somit ganz auf sich gestellt; ihre Bewaffnung besteht aus einem Revolver und einigen Zangen, mit denen sie die Waggontüren öffnen wollen.

Als sich der Zug nähert, stellen sie eine mit rotem Papier umwickelte Laterne auf die Gleise – von weitem wirkt sie wie ein Notsignal.

Und das Unerwartete geschieht: Der Lokführer bringt den Zug zum Halten. Sofort springen die drei zu den Viehwaggons. Robert gelingt es als einzigem, mit Mühe eine Waggontür zu öffnen. Im Inneren des Waggons herrscht Gedränge; manche der Insassen fliehen sofort, andere schreien, dies sei zu gefährlich. Beim Versuch, eine weitere Tür zu öffnen, geraten er und seine Freunde unter Beschuss der deutschen Bewacher. Der Zug setzt sich wieder in Bewegung. Kaum mehr als 10 Minuten sind vergangen.

17 Personen schaffen es, den Waggon zu verlassen, sie verschwinden in der Nacht und tauchen unter – sie verdanken Robert ihr Leben. Bis zur deutschen Grenze gelingt es noch über 200 weiteren Gefangenen, sich aus eigener Kraft aus dem Zug zu befreien.

Den drei Freunden gelingt es zu entkommen. Ihre Wege trennen sich. Georges und Jean geraten jedoch schon kurz darauf in die Fänge der Gestapo. Georges wird erschossen, Jean nach Deutschland deportiert.

Robert Maistriau, der bisher nur lose Kontakte zum Widerstand hatte, schließt sich der so genannten „Groupe G“ an, eine aus ehemaligen Studenten der Universität Brüssel bestehende Widerstandsgruppe. Sie ist spezialisiert auf Sabotageaktionen gegen die Deutschen im Großraum Brüssel.

Fast ein Jahr geht alles gut: Robert beteiligt sich an Zugentgleisungen, Anschlägen auf Industrieanlagen und anderen Aktionen der Gruppe. Zudem ist er dafür verantwortlich, neue Mitglieder zu rekrutieren.

Zusammen mit anderen wird er im März 1944 schließlich doch verhaftet. Die Deutschen bringen ihn jedoch nicht mit dem Überfall auf den Zug in Verbindung. Dies rettet ihm wohl das Leben. Nach einigen Wochen im Gefängnis von Breendonk überstellen die Deutschen ihn Anfang Mai 1944 nach Buchenwald. In den Außenlagern Harzungen und Ellrich muss er auf Baustellen arbeiten. Bei seiner Befreiung in Bergen-Belsen wiegt er nur noch 39 Kilogramm.

Er kehrt in seine Heimat zurück. Ab 1949 lebt er mit seiner Familie für über 40 Jahre im Kongo, wo er verschiedene ökologische und soziale Entwicklungsprojekte betreut.

Der wagemutige Überfall der drei jungen Männer auf den Transport Nummer 20 gilt heute als einzigartige Widerstandsaktion – in ganz Europa sind keine vergleichbaren Fälle bekannt. Erst 50 Jahre nach den Geschehnissen trifft Robert Maistriau einige der Menschen wieder, die er aus dem Waggon befreite. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nimmt ihn 1994 in den Kreis der „Gerechten unter den Völkern“ auf – eine Auszeichnung für Männer und Frauen, die sich um die Rettung verfolgter Juden verdient gemacht haben.


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