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Léon Blum

„… weniger ein Gefängnis als eine Gruft oder ein Grab.“ (4:51 Min.)

Portraitaufnahme von Léon Blum
Léon Blum (1872–1950) Postkarte, 1.5.1937. Foto: Studio Piaz.

Transkription

Sprecher:in Léon Blum ist einer der prominentesten Sonderhäftlinge in Buchenwald. Er ist zwar isoliert, genießt aber bevorzugte Haftbedingungen, untergebracht im recht komfortablen Falknerhaus, außerhalb des Häftlingslagers. Ja, er heiratet sogar während der Internierung auf dem Ettersberg: seine Sekretärin Jeanne Levylier ist ihm aus eigenen Stücken nach Weimar gefolgt. – Trotz allem fürchtet Blum um sein Leben; wenige Monate nach der Befreiung aus den Händen der SS notiert er:

Léon Blum „Wir haben nie auch nur eine Minute lang geglaubt, daß wir den französischen Boden lebend wiedersehen würden. Ich war in den Händen der Nazis. Ich war für sie mehr als nur ein französischer Politiker. Ich verkörperte außerdem noch das, was sie am meisten auf der Welt haßten: ich war demokratischer Sozialist und Jude.“

Sprecher:in  Léon Blum wächst in Paris auf, er stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie mit Wurzeln im Elsass. Nach dem Jurastudium arbeitet er als Anwalt und Literaturkritiker.

In die Politik bringt ihn erst die Affäre um den jüdischen Offizier Dreyfus, sie löst in Frankreich um die Jahrhundertwende eine antisemitische Welle aus. Schockiert schließt sich Blum den Sozialisten an; nach dem Ersten Weltkrieg steigt er zum Vordenker und führenden Kopf der Partei auf.

1936/37 erstmals Ministerpräsident setzt er soziale Reformen durch – ihm verdanken die Franzosen die 40-Stunden-Woche und das Recht auf bezahlten Urlaub.

Nach der Besetzung Frankreichs lässt das mit Nazi-Deutschland kollaborierende Vichy-Regime Blum verhaften und an Deutschland ausgeliefern. Ab April 1943 hält ihn die SS im Falknerhaus gefangen.

Nicht ohne Grund fürchtet er hier um sein Leben:

Léon Blum „In Buchenwald hatten wir im Vorjahr schon die Gegenwart oder die plötzliche Annäherung des Todes gespürt. Ich denke an den Morgen im Juli, als auf einen persönlich von Himmler erteilten Befehl die Gestapo von Weimar den armen Georges Mandel aus dem Haus abholte, in dem wir gemeinsam seit 15 Monaten gelebt hatten. […] Er hatte nicht die geringste Illusion bezüglich des Schicksals, das ihn erwartete […].“

Sprecher:in  Mandel, ebenfalls ein prominenter Sondergefangener, amtierte vor dem Waffenstillstand mit Deutschland als französischer Innenminister. Im Juli 1944, wie Blum sich erinnert, wird Mandel nach Paris gebracht. Die Gestapo liefert ihn dem Vichy-Regime aus. Als Vergeltung für einen Anschlag der Résistance wird er von der Miliz im Wald von Fontainebleau ermordet.

Auf dem Ettersberg jedoch bleibt Léon Blum der massenhafte Tod in seiner unmittelbaren Nähe lange Zeit verborgen.

Léon Blum „Die Worte Einsamkeit und Abgeschiedenheit sind unfähig, die Existenz zu charakterisieren, die wir zwei Jahre lang in diesem Haus in Buchenwald geführt haben. […] Das Haus war eigentlich weniger ein Gefängnis als eine Gruft oder ein Grab: man konnte dort nur leben, wenn man sich für immer von der Welt zurückgezogen hatte […].

Die Strenge unserer Abgeschiedenheit erklärt einen Fakt, der erst einmal unverständlich ist; ich meine unsere lange andauernde Unkenntnis der unsagbaren Grauen, die nur einige hundert Meter von uns entfernt stattfanden. Das erste Anzeichen, das wir davon wahrnahmen, war der sonderbare Geruch, der oft abends durch die offenen Fenster hereinkam und uns die ganze Nacht lang verfolgte, wenn die Wind stetig aus derselben Richtung kam: das war der Geruch der Krematoriumsöfen. Man starb leicht in Buchenwald, aber wir wußten noch nicht genau, woran und wie man dort starb.“

Sprecher:in  Doch Blum überlebt. Zwar schafft ihn die SS, zusammen mit seiner Frau und zahlreichen anderen Sonderhäftlingen, noch im April 1945 nach Südtirol, dort aber werden sie von den Amerikanern befreit.

Blum kehrt nach Paris – und in die Politik – zurück: Schon im Winter 1945 ist er Sonderbotschafter Frankreichs in Washington. Auch amtiert er nochmals als Ministerpräsident seines Landes (in einem kurzzeitigen Übergangskabinett 1946/47). In seinen letzten Lebensjahren tritt der Staatsmann als Essayist für einen humanistischen Sozialismus mit europäischer Perspektive ein.


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