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Fritz Cremer - Studie für den 3. Entwurf der Buchenwaldgruppe

Zeichnung der Figurengruppe von Fritz Cremer. Im Vordergrund kniet einer mit erhobenen Armen. Dahinter strecken zwei weitere eine Hand in die Luft. Weitere dahinter tragen eine Fahne und Waffen.
Fritz Cremer: Studie für den 3. Entwurf der Buchenwaldgruppe (1957).

Am 14. September 1958 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald eingeweiht. Die Debatte um die angemessene Gestaltung von Lagergelände und Mahnmalanlage hatte sich zuvor über mehrere Jahre hingezogen; sie war weniger von historischen oder ästhetischen Erwägungen geleitet, als vielmehr politisch motiviert: Aus Kampf und Opfertod - so sollte vermittelt werden - war ein besseres, sozialistisches Deutschland erwachsen. Eine zentrale Bedeutung kommt in dieser Erzählung der Figurengruppe vor dem Glockenturm („Turm der Freiheit“) zu. Doch Fritz Cremers ursprünglicher Entwurf entfachte einen heftigen Streit, der den Bildhauer dazu brachte, sein Konzept zu ändern.

Fritz Cremer hatte sich – vor dem Hintergrund des Verlusts enger Freunde in der NS-Diktatur – künstlerisch bereits intensiv mit den NS-Verbrechen auseinander gesetzt, ehe er 1951 eingeladen wurde, an dem Gestaltungswettbewerb für ein Buchenwald-Denkmal teilzunehmen. 1952 wurde sein gemeinsam mit dem Dichter Bertolt Brecht und dem Gartenbauarchitekten Reinhold Lingner eingereichter Entwurf vom Preisgericht der Gedenkstättenplanungskommission (beim Zentralvorstand der VVN) unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Otto Grotewohl prämiert. Realisiert werden sollte Cremers bildhauerische Arbeit zusammen mit der Landschaftsarchitektur eines anderen, ebenfalls ausgezeichneten Gestaltungsentwurfs.

Gleichwohl gab es auch an Cremers Buchenwaldplastik Kritik: Seine Figurengruppe wurde – der Kunstdoktrin des Sozialistischen Realismus entsprechend – als zu wenig optimistisch und siegesgewiss bewertet. Bemängelt wurde auch, dass die der KPD zugeschriebene Führungsrolle im deutschen antifaschistischen Widerstandskampf nicht dargestellt sei, auch nicht die führende Rolle der Sowjetunion und der geschichtsnotwendige Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab. Die politischen und kunstpolitischen Auseinandersetzungen verhinderten eine schnelle Ausführung des Denkmals: Zwischen 1952 bis 1954 legte Fritz Cremer drei Entwurfsfassungen der Plastik vor, und er gestaltete im Verlauf der Arbeit insgesamt 42 Einzelfiguren.

In Cremers erstem Entwurf der Buchenwaldplastik waren nur acht Figuren vorgesehen. Sie stehen ebenbürtig da; kein Häftling ist herausgehoben. Durch das erlittene Unrecht gezeichnet, kämpfen sie gegen einen unsichtbaren Feind an. Erniedrigt und geschunden stehen sie ungebrochen und klagen an. Kein Sockel erhöht sie. Cremer orientiert sich unmittelbar an der von Auguste Rodins 1884/85 geschaffenen, nicht hierarchisch gegliederten Figurengruppe „Die Bürger von Calais“.

Das Bild ist eine mit Bleistift überzeichnete Radierung aus dem Jahr 1957, die Fritz Cremer als Studie für den dritten, 1958 ausgeführten Entwurf angefertigt hat. Mit feinen Strichen arbeitet Cremer darin präzise den Aufbau der Gruppe heraus: die Zeichnung zeigt seine ästhetischen Entscheidungen für Dynamik im Figurenaufbau, raumgreifende Bewegungsrichtungen und Binnenstrukturen. Das Denkmal hat nun ein Podest; es ist flach, um die Figuren inmitten der am Denkmal versammelten Menschen zu platzieren. Zugleich unterwandert Cremer die vorgegebenen kunstpolitische Doktrin und entwickelt ein breiteres Panorama. In elf Figuren verdichtet er „die ganze Dramatik menschlicher Empfindungen unter unmenschlichen Bedingungen“ beispielhaft im „Stürzenden“, „Rufenden“, „Schwörenden“, „Zweifler“ oder „Zyniker“ etc.

Fritz Cremer gestaltete später — eingebettet in ein vielschichtiges plastisches und grafisches Gesamtwerk — auch Mahnmale für die Gedenkstätten Ravensbrück und Mauthausen. Die Buchenwaldgruppe war sein bekanntestes Werk. Wie kein anderes Denkmal wurde es für die Ziele von Partei und Regierung instrumentalisiert: die Herausbildung von staatsbürgerlicher Loyalität und die Legitimierung der DDR standen im Vordergrund, nicht die konkrete Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.

Zwischen 2002 und 2005 musste die Figurengruppe aufgrund von Korrosionsschäden von Grund auf restauriert werden. Die ursprüngliche Lebendigkeit und die an Brecht angelehnte Typisierung der Figuren wurde damit wieder sichtbar.

 

„Bei meiner bisherigen Arbeit an meinen drei Entwürfen machte ich eine für mich interessante Beobachtung (...) Es war der von manchen Kollegen gemachte manchmal nur hinweisende, manchmal verständige, aber oft auch ein wenig ironische Vorwurf, dass meine Gruppe an die ‚Bürger von Calais’ erinnere. Ich möchte diesen Kollegen zunächst einmal nur sagen, dass ich von meinem ersten Entwurf an ganz bewusst von den ‚Bürgern von Calais’ ausgegangen bin.“
Über die Arbeit an den plastischen Entwürfen meiner Buchenwald-Gruppe, in: „Das Blatt des Verbandes Bilder Künstler Deutschlands“, Nr. 7, Juli 1954

Zur Biografie

Fritz Cremer wurde am 22. Oktober 1906 in Arnsberg an der Ruhr geboren. Er wuchs in einer Bergarbeiterfamilie auf; der Vater starb, als er ein Jahr alt war, die Mutter verlor er mit 15 Jahren. In Essen absolvierte er eine Lehre als Steinbildhauer und übersiedelte 1929 nach Berlin, wo er nach einem Probesemester an den Vereinigten Staatsschule für freie und angewandte Kunst (Berlin-Charlottenburg) bis 1937 studierte, zuletzt (1934 bis 1938) als Meisterschüler Wilhelm Gerstels. Im Arbeitermilieu des Ruhrgebiets sozialisiert, war Cremer seit 1926 Mitglied im Kommunistischen Jugendverband, schloss sich 1929 der Kommunistischen Partei an und war Mitbegründer des Roten Studentenbunds an der Kunsthochschule. Als Preisträger im Wettbewerb um den „Preußischen Staatspreis für Bildhauerei“ bezog er 1937/38 für ein Jahr ein Atelier in der Villa Massimo in Rom. Seit 1940 war er Wehrmachtssoldat und geriet 1944 in jugoslawische Gefangenschaft.

Nach seiner Rückkehr lehrte Cremer zwischen 1946 und 1950 an der „Hochschule für angewandte Kunst Wien“. 1951 wurde er an die Akademie der Künste der DDR nach Berlin berufen. Fritz Cremer starb am 1. September 1993 in Berlin.

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