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Władysław Kożdoń

Ein polnischer Pfadfinder (4:13 Min.)

Portraitaufnahme von Władysław Koźdoń
Władysław Koźdoń (1922–2017), 2017. Foto: Andreas Domma.

Transkription

Sprecher:in An einem Sonntag im September 1939 schickt eine Mutter ihren Sohn in den nahen Garten um Petersilie zu holen. Seit neun Tagen ist Wladyslaw 17 Jahre alt. Nun macht er sich auf den Weg. Unterwegs wird er angehalten. Seine Mutter sieht er nie wieder.

Władysław Kożdoń „Gegen elf Uhr bat mich meine Mutter: `Geh doch mal in den Garten und hole etwas Petersilie für mich´. Ich nahm mein Fahrrad und fuhr los. Auf halbem Weg hielt mich ein Hilfspolizist an. Mein Vater [, der auch unterwegs war,] und ich wurden verhaftet und in einen Truppenwagen nach Rybnik gebracht. Meine Mutter wartete indessen zu Hause vergeblich auf unsere Rückkehr. Ihre Stimme klang mir noch im Ohr – wie sie mich schickte, Petersilie zu holen“

Sprecher:in Wladyslaw Kozdon wächst in einer konfliktreichen Region in Oberschlesien auf. Die Polen sind in der Minderheit. Wenige Tage nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen 1939 wird er wegen seiner Tätigkeit als Pfadfinder verhaftet. Etwas Strafbares hat er nicht getan. Zusammen mit 2000 Polen erreicht er Weimar am 15. Oktober am Bahnhof inmitten der Wochenendreisenden:

Władysław Kożdoń „Die Reisenden, die auf den anderen Bahnsteigen ankamen oder auf die Abfahrt eines Personenzuges warteten, sahen uns nicht an. Mich trafen nur wenige verstohlene Blicke“.

Sprecher:in Es ist kalt an diesem Morgen, an dem der Nebel noch in den Straßen Weimars liegt. Wladyslaw läuft mit seinem Vater in der Mitte eines Menschenzuges. Vom Bahnhof aus gehen sie acht Kilometer bis zum Konzentrationslager auf dem Ettersberg. Hinter ihnen fahren Lastwagen. In sie werden die Toten des Marsches geworfen.

Eine Woche bleibt er zunächst im Sonderlager, wo er mit Anderen in Zelte am Rand des Appellplatzes gepfercht wird. Hier hört er den ersten deutschen Befehl, den er versteht und den er immer wieder in den folgenden sechs Jahren hören wird: „Die Leichenträger ans Tor“. Schließlich kommt er mit anderen Kindern und Jugendlichen in die Maurerschule, später in die Polenschule. Das rettet ihm das Leben. /Das rettet sein Leben. Beide Schulen entstehen auf Initiative anderer Häftlinge, um die Heranwachsenden vor dem harten Arbeitseinsatz zu schützen. Im KZ Buchenwald verbringt Wladyslaw seine gesamten Jugendjahre.

Władysław Kożdoń „Als ich Buchenwald verließ, war ich zweiundzwanzig Jahre alt. Alle meine Jugendjahre hatte ich in diesem Konzentrationslager auf dem Ettersberg verbracht. Eine harte, bittere Schule“.

Sprecher:in Fast seine gesamte Familie wird deportiert. Seine Mutter wird 1943 in Auschwitz ermordet. Im April 1941 wird der Vater von Buchenwald ins KZ Ravensbrück verschleppt und ein Jahr später in Bernburg ermordet. Von der Deportation des Vaters weiß Wladyslaw vorab:

Władysław Kożdoń „Wir wussten es schon einige Tage zuvor. Dagegen tun konnten wir nichts. Wir verbrachten soviel Zeit wie möglich zusammen, wir trösteten uns gegenseitig. Am Tag des Transports standen wir beim Morgenappell noch nebeneinander. Zum ersten und einzigen Mal wünschte ich mir, dass der Appell länger dauern möge“.

Sprecher:in Nach der Befreiung am 11. April 1945 bleibt Kozdon zunächst in Buchenwald. Bis August bleibt er in Weimar. Er reist heim, ist dann Student in Breslau, wird Elektroingenieur. Mit seiner Frau Wladyslawa bekommt er zwei Töchter. Sechs seiner sieben Geschwister sieht er wieder, sie haben überlebt.

Erst spät wird er zum Zeitzeugen und erzählt von seiner Haftzeit. In Buchenwald hält er 2009 eine Rede und meint darin, dass er vor seiner Verhaftung glaubte, die Welt sei schön und gut. Die Welt seiner Kindheit hat er Jahre zuvor als beinah heile Welt beschrieben, eine Welt der einfachen Dinge: Kartoffeln schälen, täglicher Schulweg, Lindenblüten im Garten pflücken.

Rächen will er sich in den Jahren nach der Befreiung nicht – Gerechtigkeit will er.

Władysław Kożdoń „Ich wollte keine neue Feindschaft säen, die neue Freiheit nicht mit altem Hass vergiften“.


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