
RAPHAËL ÉLIZÉ. FOTO: ARCHIV RAPHAËL ÉLIZÉ
Erinnern an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und stellvertretend an Raphaël Élizé
Donnerstag, 9. Februar 2023 um 14.00 Uhr in Weimar, Gedenktafel - Ecke: Andersen-Straße / Kromsdorfer Straße
Der Luftangriff auf das Gustloffwerk, 9. Februar 1945
Das Fritz-Sauckel-Werk Weimar, benannt nach dem NSDAP-Gauleiter, war der Stammbetrieb eines Staats-und Parteikonzerns, der seit 1936 mit geraubtem jüdischem Eigentum der Familie Simson aufgebaut wurde. Werke und Zweigniederlassungen gab es in Buchenwald, Hirtenberg, Meuselwitz, Suhl, Berlin und Lichtenwörth. Zum Weimarer Werk gehörte ein Filialbetrieb in Buchenwald, eine Waffenfabrik und eine Werkzeugmaschinenfabrik – die heutige KET-Halle.
Schwerpunkte der Produktion waren Gewehre, Geschützteile und Drehbänke. Von den 9.000 Arbeitern des Weimarer Betriebs waren mehr als 8.000 ausländische Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge.
Seit Oktober 1943 bestand unmittelbar neben dem Werk ein erstes Barackenlager des KZ Buchenwald, 1944 ein zweites neben der Werkzeugmaschinenfabrik. Ende 1944 befanden sich in diesem Konzentrationslager hinter dem Bahnhof 2.290 Häftlinge.
Der Luftangriff der US Air-Force vom 9. Februar 1945 galt dem Rüstungswerk im Norden der Stadt. Acht von zehn der abgeworfenen Bomben gingen dort auf engstem Raum nieder. 346 Häftlinge starben während des Angriffs, weitere schwerverletzt in den Tagen danach. Unter den Toten waren 77 Franzosen, 7 Belgier, ein Bulgare, 173 Sowjetbürger, 63 Tschechen, 65 Polen, 9 Spanier, 5 Jugoslawen, 5 Italiener, ein Grieche, 2 Esten, 3 Niederländer, 2 Litauer, ein Lette, 2 Ungarn, 14 Deutsche und ein Österreicher. Einige hundert Meter entfernt, auf dem Bahnhof, traf es einen Zug mit kranken und schwachen Häftlingen aus dem Außenlager Rehmsdorf. Die SS ließ niemanden aus den Viehwaggons, in denen 158 ungarische, lettische, polnische, französische und tschechische Juden umkamen. Insgesamt verloren in der nördlichen Stadt fast 600 Häftlinge des KZ Buchenwald beim Luftangriff das Leben.
Diesen Opfern erweisen wir in Gedenken die Ehre.
Raphaёl Élizé, Franzose, Widerstandskämpfer, KZ-Häftling, der erste Schwarze Bürgermeister Frankreichs, steht stellvertretend für die vielen Opfer, die heute sonst keine Stimme haben.
Raphaël Élizé wurde 1891 auf der Insel Martinique geboren. 1902, in Folge eines Vulkanausbruchs, der die kleine Stadt Saint-Pierre zerstörte, in der sie lebten, übersiedelte die Familie nach Frankreich. Schulbesuch, Studium folgten. Eigentlich wollte er - mit dem frischen Diplom in der Tasche - als Tierarzt arbeiten. Der 1. Weltkrieg kam dazwischen, Élizé überlebte seinen Einsatz als Soldat, ging dann in den ersehnten Beruf, ließ sich in Sablé-sur-Sarthe bei Le Mans nieder und genoss recht schnell hohes Ansehen. 1929 wird er daraufhin zum Bürgermeister von Sablé-sur-Sarthe gewählt. Er engagiert sich für die Menschen und wird 1937 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Sein Glück ist von kurzer Dauer: Der 2. Weltkrieg bricht aus und der engagierte Tierarzt und Kommunalpolitiker geht nach der Besetzung durch die NS in den Widerstand. Dort wird er 1943 von der Gestapo aufgespürt und später in das KZ Buchenwald deportiert.
Der Bombenangriff am 9. Februar 1945 auf die Gustloff-Rüstungswerke sollte ihm zum Verhängnis werden.Die Alliierten wollten die Rüstungsindustrie und Bahnlinien treffen, doch es kamen dabei hunderte geplagte KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter ums Leben.
Einer von ihnen: Raphaël Élizé.
Zu seinem Leben wurden erstmalig am 9.2.2020 in Form einer Broschüre Texte und Informationen sowie auch einige Übersetzungen aus dem Buch von Gaston-Paul Effa, Rendez-vous avec l‘heure qui blesse („Begegnung mit der Stunde, die schmerzt“) vorgestellt, das in eindrucksvoller Weise dem Leben von Raphaël Élizé gewidmet ist. Am 9. 2. 2023 wird nochmal an ihn und an seine Mithäftlinge erinnert und auch die Broschüre verteilt, mit dem Ziel und in der Hoffnung, dass ein Verlag das Buch übersetzt.
Wir erinnern an diesem Tag nicht nur an Raphaël Élizé, sondern ebenso maßgeblich an das als Außenstelle fungierende große Konzentrationslager Gustloff Werke, auf das außer der Gedenktafel für die Toten des 9. Februar 1945 nichts mehr hinweist.
Ort: Weimar, Gedenktafel - Ecke: Andersen-Straße / Kromsdorfer Straße
Wann: Donnerstag, 9. Februar 2023, 14.00 Uhr
Ablauf: - Begrüßung durch Dr. Marc Sagnol, Weimarer Dreieck e.V.
- Redebeitrag von Peter Kleine, Oberbürgermeister der Stadt Weimar
- Redebeitrag von Professor Jens-Christian Wagner, Gedenkstätte Buchenwald
- Verlesung der Namen einiger weiterer Opfer durch Dr Johannes Bock, Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus
- Schlusswort von Dieter Hackmann, Vorsitzender Weimarer Dreieck e.V.
Anschließend gemeinsamer Gang zum Ahornbaum für Raphaël Élizé hinter der Kletterhalle
Veranstalter: Weimarer Dreieck e.V., Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar, Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora